In der Summer School sind Studierende aufgefordert Gewaltgesellschaften kritisch zu hinterfragen und vertiefend zu diskutieren. Gibt es ein wirksames Konzept zur Überwindung kollektiver Traumata oder warum scheitern die Wissenschaften immer noch an deren Aufarbeitung? An fünf intensiven Seminartagen in Leipzig lernen die Studierenden sowohl Grundlagen als auch konkrete Fragestellungen der Gewaltforschung in ihrem jeweiligen disziplinären Kontext (Soziologie, Sozialpsychologie, Geschichts-, Kultur-, Politik-, Literaturwissenschaft) kennen und werden an das Themenfeld der Gewalt als Gegenstand interdisziplinärer Forschung herangeführt.
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„Kollektive Gewalt zeichnet Gesellschaften – nicht nur für den Moment, sondern auf Dauer. Krieg und Genozid sind transgenerationelle Projekte zur Veränderung von Staaten und Nationen, sie zielen auf die Transformation gesellschaftlicher Ordnungen, ihre Folgen sind beabsichtigt. Nicht nur individuelle Traumata gehören daher zu ihren langfristigen Auswirkungen, sondern sie betreffen fundamental die kulturellen Formationen sowohl der Opfergruppen als auch der Tätergesellschaften. Kämpfe um Anerkennung, Forderungen nach Reparation und Restitution, Suche nach und Behauptung von Identität wirken so auch mit großem zeitlichem Abstand auf soziale Selbstbestimmungen und politische Debatten. Politik kann hier vermitteln, ausgleichen, moderieren oder aber anheizen, zuspitzen, eskalieren.
Nicht erst mit der politmedialen Diskussion um die documenta 15 wurde in öffentlichen Debatten problematisiert, dass Kunst und Kultur als Träger von Erinnerung in einem intrikaten Geflecht widerstreitender Interessen, Positionen und Emotionen stehen. Auch der russische Angriff auf die Ukraine hat jene vermeintlich „alten“ Fragen, wie etwa die nach der historischen Verantwortung Deutschlands für den europäischen Osten, in den Mittelpunkt tagesaktueller Diskussionen gerückt. Nicht zuletzt steht mit dem sogenannten „Versöhnungsabkommen“ zwischen Deutschland und Namibia auch das lange vergessene und verdrängte koloniale Erbe der deutschen und namibischen Gesellschaft wieder im Fokus des Interesses.
Die RUB School „Gewaltgesellschaften. Erfahrungen, Erinnerungen, Kontroversen“ lädt dazu ein, eine Woche lang gemeinsam Forschungsfragen aufzuwerfen, neue Perspektiven zu erörtern und Lösungsansätze vertiefend zu diskutieren. Kritisch hinterfragen wir die kulturellen Kontexte bisheriger Erinnerungstheorien. Es wird das Konzept „kollektiver Traumata“ geprüft oder auch das Scheitern geisteswissenschaftlicher Disziplinen vor der Aufgabe der Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte. In Leipzig wollen wir erkunden, wie Gewalterfahrungen Erinnerungen formen und formatieren und warum gerade diese Erinnerungen bis in die Gegenwart Anlass für Kontroversen sind. Dazu bietet die Stadt Leipzig selbst einige Gelegenheit. So wollen wir uns etwa auf die Spuren der Völkerschlacht begeben und im Grassi-Museum über die koloniale Erblast der Ethnographie reflektieren.“
Termine
24. – 28. Juli 2023 Blockwoche in Leipzig (Präsenz)
Oktober 2023 Studientag Gewaltgesellschaften an der RUB (Präsenz)
Credits und Anmeldung
Teilnehmen können fortgeschrittene Bachelor- sowie Masterstudierende und Promovierende, insbesondere geistes, gesellschaftswissenschaftlicher Disziplinen. Die Summer School kann je nach fachlicher Voraussetzung mit 3, 5 oder 6 ECTS absolviert werden. Bitte wenden Sie sich zunächst an ihre/n jeweiligen Studienfachberater/in, um die Anrechnung in ihrem Studiengang zu klären.
Anmeldung mit einem maximal einseitigen Lebenslauf und einem maximal 300 Wörter starken Motivationsschreiben, das als pdf auf gewaltgesellschaften.de/bewerbung hochgeladen werden kann. Reise- und Übernachtungskosten können bei Bedarf anteilig bezuschusst werden. Vermerken Sie bitte Ihr Interesse an einer Förderung in Ihrer Bewerbung. Die Teilnehmer*innen werden nach Ablauf des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens über den Erfolg ihrer Bewerbung informiert.
Anmelde-/Bewerbungsfrist: 31.03.2023
Campus-Link für Bachelorstudierende (Modul im Optionalbereich)
Campus-Link für Masterstudierende (Modul im Freien Wahlbereich Master)
Die Summer School ist Teil des Forschungsverbunds Kollektive Gewalt (CoVio), getragen vom Institut für Diaspora- und Genozidforschung der RUB (IDG) und dem Lehrgebiet Geschichte Europas der FernUniversität Hagen.
Leitende Dozent:innen: PD Dr. Kristin Platt (RUB),Prof. Dr. Jürgen Nagel (FernUniversität Hagen)
BildnachweisAssadour, Mo4100, 2013, Bildausschnitt